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Butterfly und sexueller Missbrauch als immerwährendes Thema („me too“ wird ja instrumentalisiert) will er auch nicht „weiterdeklinieren. Gibt es keine Kinderhochzeiten, auch in unseren Kulturkreisen?

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„Nur noch graue Tomaten? Rote, grüne, gelbe könnten ja politisch indoktrinieren?  Aufpassen, graue verwesen!“

Tim Theo Tinn: Einwurf zu gestriger Presseschau Online Merker     

„Ein schwarz angemalter Otello geht nicht mehr“
Was darf Oper? Gespräch mit dem Intendanten der Deutschen Oper, Dietmar Schwarz, über Tabus, die hinter den Kulissen diskutiert werden. https://www.morgenpost.de/kultur/article218114207/Ein-schwarz-angemalter-Otello-geht-nicht-mehr.html                                                                                                                         

Während meines sozialwissenschaftlichen Studiums hatte ich Schwierigkeiten mit dem Theorem/Grundsatz: „Anpassung bedeutet Gratifikationsoptimierung!“ d.h. mit unterwürfigem Opportunismus erreicht man bestmögliche Ziele. Wüst hinterfragend fegte ich durch die Seminare, bis mein Professor mich zurechtwies: entweder ich akzeptiere diese deskriptive Aussage oder er schmeißt mich raus. Ich bin geblieben und es bewahrheitet sich immer wieder. So kann man sogar Intendant eines der großen deutschen Opernhäuser werden.

Dietmar Schwarz, Intendant der Deutschen Oper Berlin behauptet ohne jede schlüssige Begründung in der Diktion von Politikern oder Versicherungsvertretern, nimmt den Aufführungen wesentliche dramatische Ansätze:

Integration und Aufstieg einer schwarzafrikanischen Person (Otello/Mohr) nach Verdi und Shakespeare wird auf seiner Bühne eliminiert und durch einen Europäer ersetzt. Was hat Minderheiten verhöhnendes amerikanisches Kabarett der 30’er Jahre mit heutigem dramatischen Impetus von Shakespeare und Verdi zu tun?

Ein Körperbehinderter (Rigoletto) mit konvexe Krümmung der Wirbelsäule (vulgo: Buckel) kann keine etablierte Position im Personal eines  Hofstaates einnehmen. Das kann nur einer ohne Krümmung sein.

Homosexuelle Priester sind auf seiner Bühne tabu (Zauberflöte).

Thematisierung sexuellen Missbrauchs von 15jährigem Mädchen (Butterfly) „bringt das Stück nicht weiter“.

Das ist gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit: diskriminierend, rassistisch, homophob, populistisch und geht in eine erstaunliche glattbügelnde Richtung, 0, 8, 15 ist richtungsweisend, keine auffälligen Einzelschicksale mit hohem dramatischem Potential.

Die deutsche Oper Berlin beuge sich angeblich einer Zensur von Publikum und Politik (hätte viele Amerikaner beleidigt???). Und der Intendant weiß tatsächlich, was Mozart gedacht hat,…????

Zur Sache: der Intendant verweigert die Darstellung von Minderheiten, die sich gesellschaftlich etabliert haben.  Das tangiert aktuelle Gegenwartstragik, passt aber nicht zur Lesart bestimmter gesellschaftlicher Gruppen. Das soll politisch gewollt sein, wenn der Herr Intendant deshalb zur Berliner Senatorin vorgeladen wurde?

Homosexuell inszenierte Priester werden ebenso gelöscht. Damit folgt dieses Theater bestimmten konfessionellen Desastern, die gerade heute in elenden Verhältnissen solche Tatsachen leugnen, glattbügeln wollen. Wie wäre es denn, wenn es kein Zölibat gebe und auch homosexuelle Priester ihre vitale Sexualität frei ausleben, anstatt einem menschenverachtenden Verbot der Sexualität zu unterliegen, das sicher mit zu aktuellen Verhältnissen geführt hat. Das Thema in bestehenden Inszenierungen zu löschen, dem Thema die nötige Lebenswirklichkeit zu nehmen ist auch ein Weg.

Butterfly und sexueller Missbrauch als immerwährendes Thema („me too“ wird ja instrumentalisiert) will er auch nicht „weiterdeklinieren. Gibt es keine Kinderhochzeiten, auch in unseren Kulturkreisen?

           Siehe uch TTT Dramaturgische Schriften Nr. 5 https://onlinemerker.com/pragmatisches-musiktheater-inszenierungen-innovatives-portal-oder-sackgassen-theater/

Wenn nun Otello, im Original Mohr (Schwarzafrikaner) und Befehlshaber der venezianischen Flotte, in der Umdeutung zu einem europiden…. mutiert,  …, kann das für Manchen interessant sein, Verdi hat das nicht komponiert. Sich dem musikdramatischen Fluss in einer verdi-shakespeareschen Prägung hinzugeben, wird nicht gelingen – man muss ja ständig auf eine ganz andere ggf. konträre Geschichte reflektieren, dass beschäftigt anders als die Aufnahme einer dramatisch-musikalischen Kongruenz, deren Gehalt schon aus dem musikalischen Duktus fließt und dem man seine emotionale Aufnahme öffnen kann. Somit wird die Wahrhaftigkeit der musiktheatralischen Dichtung einer konstruierten Wirklichkeit geopfert, die emotionale Berührung untergräbt, da man ständig gefordert ist abweichende Inhalte gedanklich einzuordnen

Zum sogen. Blackfacing: Otello darf kein Mohr mehr sein, da dies eine Diskriminierung darstelle: das ist ganz böser, prüder Rassismus, positiver Rassismus. Menschen sind alle gleich, unterschiedlicher Couleur.

Als seine Aufgabe formuliert Dietmar Schwarz also, den Erwartungen von Zusehern nach gewachsenen Persönlichkeitsmerkmalen, die er verirrt als Klischees bezeichnet, nicht zu entsprechen. Unterschwellige Botschaften müssten mit Warnhinweisen versehen werden. Ist es nicht die Aufgabe des Theaters unsere Welt, egal in welchem Kontext, komplex auch mit unterschwelligen Botschaften zu transformieren? Löschungen brisanter Themen von einem Dramaturgen und Intendanten sind eine interessante Antwort.

Tim Theo Tinn 20. Mai 2019

Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung feinstofflicher Elemente aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem (Diskurs Natur/Kultur= Gegebenes/Gemachtes) für theatrale Arbeit. (Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem aus feinstofflichem Raum. Glaube, Liebe, Hoffnung könnten definiert werden). Ist mit Begeisterung für singuläre Aufträge zu haben, nicht für Festengagements.


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