Wiener Festwochen, erste Hälfte – so ganz ohne festliche Musik
Kein volles Stadion – pardon, kein ausverkauftes Theater an der Wien für die festwöchentliche Fußballfan-Performance „Stadium“. Nun ja, keine Kicker-Größen auf der Bühne, doch echte (?) Fans des RC Lens wie der Wiener Rapid. Der französische Theatermann Mohamed El Khartib ist mit einer Laiengruppe aus dem Lens für zwei Abende nach Wien geholt worden, um mit „Stadium“ ein Fleckerl Realität in der Welt all der abstrusen Festwochen-Kunstfertigkeiten & Kuriositäten einzubringen. Die lockere Show bietet ein eher simples satirisches Durchleuchten unterschiedlichster sozialer Empfindlichkeiten bezüglich Massensport in Videoeinblendungen und mit einigen netten Gags von auf der Bühne herum laufender, redender, singender, tanzender sympathischer Akteure.
El Khartibs Ausgangspunkt: Lens, die nordfranzösische Kohlebergbau-Stadt mit ihrer einfachen Bevölkerung und deren starker Beziehung zu dem Racing Club de C Lens – 1998 überraschender französischer Fußballmeister, heute Zweitligist. Alles gefällig und mit netter Beiläufigkeit präsentiert. Diese bunte Show entspricht durchaus dem Konzept der heurigen Anti-Festwochen, würde statt in das Theater an der Wien wohl aber besser in das Rabenhof-Theater passen. Und, wenn schon: All diese Reflexionen hätte ja auch ein uriger heimischer Autor oder Showmensch mit Rapid-Ader weit bissiger arrangieren können. Doch die Wiener Festwochen sind längst schon zu einem reinen Einkaufsfestival mutiert …. und somit verhilft hier deutsche Übertitelung zu leichtem Schmunzeln über fußballerische Groß- und Kleintaten wie über zu diesen gehörige Ultras.
Wie haben Wiens Festwochen in der erster Hälfte musikalisch geklungen? Ganz und gar nicht festlich. Die Fangemeinschft des RC Lens wurde von einem Solotrompeter mit Fanfarenklängen von Maurice Jarre eingeführt und stimmte dann gängige Schlachtrufe wie „Allez Lens“ oder „Hipp Hipp Hurra“ oder die Bergarbeiterhymne „Die Erde war Kohle“ an. In der Outsourcing-Performance „Deep Present“ der Koreanerin Jisun Kim ertönte kurz Richard Strauss‘ „Zarathustra“-Trompetengeschmetter. Super, doch schnell wieder vorbei – mit stereotypen Maschinenklänge ging es uninspiriert weiter. Die Produktion des Hamburger Thalia-Theaters von Aischylos´ „Die Orestie“ untermalte ein andauerndes leise Gesäusel oder simpler archaischer Sprechgesang. Und sonst …. es heißt statt Musik nun Sound, Ton, Klang, Elektronik, Stroboskopeffekte. Und für den Sound der Installation „micro/macro – the planck universe“ des Japaners Ryoji Ikeda mit hochfrequenten Tönen kommt die Warnung: “ …. dies könne unter Umständen epileptische Anfälle auslösen“. Ist wohl leicht ironisch gemeint. Denn es dümpelt eher gleichförmig dahin.
Meinhard Rüdenauer